Dienstag, 6. Dezember 2011

Die Einweisung 1992

Die Einweisung


Es war im Juni 1992.
Bei meiner Einlieferung wusste ich das Datum nur mit Mühe.
Der Hausarzt meiner Mutter hatte für mich einen Krankenwagen bestellt. Ich hatte mit ihm telefoniert und seine Stimme hatte einen seltsamen Hall, so als würde er in einer Kathedrale stehen.
Ich hatte meine Mappe mit meinen Zeichnungen bei mir. Die Männer kamen und möglicherweise hatten sie tatsächlich weiße Turnschuhe an. Ich stieg in das Fahrzeug und war mir über den Ernst der Lage überhaupt nicht im Klaren. Ich dachte wir fahren zu einer Party.
Der Fahrer fuhr mit einem Affenzahn und Blaulicht den Weg hinaus
in die psychiatrische Klinik. Er muß wohl Angst vor mir gehabt haben. Ich hatte auch große Angst bei dieser Geschwindigkeit. Warum ich ein Notfall war, habe ich nicht verstanden. Es war wie ein Film.

Dort angekommen musste ich in einem Zimmer warten. Meine Mutter hatte mir frische Kleidung eingepackt und ich wollte mich umziehen. Die Ambulanzfahrer warteten mit mir in dem Raum und haben sich einen Spaß daraus gemacht, absichtlich nicht wegzusehen, als ich sie darum gebeten hatte, weil ich meine Kleidung wechseln wollte.

Später habe ich auf meinen Wunsch hin einen Becher Wasser bekommen. Ich hatte den Gedanken, dem Ambulanzfahrer das Wasser ins Gesicht zu schütten, weil ich mich zuvor so über ihn geärgert hatte. Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, ob das gut ist, hatte ich es schon getan. Reflex.

Dann ging alles ganz schnell. Man packte mich und fesselte mich ans Bett. Fixierung nennen sie das. Ich habe die ganze Nacht nur geschrien. Es war furchtbar. Man hat mir Medikamente gespritzt. Ich konnte mich nicht wehren. Irgendwann hatte ich mir wohl dann nach ein paar Stunden die Seele aus dem Leib geschrien und wurde ruhiger. Um das Trauma dieser Behandlung, die mir wie eine Vergewaltigung vorkam, zu verarbeiten, habe ich viele Jahre gebraucht.

Das nimmt mich heute noch total mit, zehn Jahre danach, mir wird Angst und Bange, wenn ich daran denke. Von diesem Moment an, war ich plötzlich ein verunsicherter Mensch. Von einem Tag auf den anderen hatte sich meine Persönlichkeit total verändert.

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