Freitag, 7. September 2012

Entgleisung



Donnerstag, 6. September 2012
Sehr geehrter Herr Dr. B., sehr geehrte Frau S. !
Kann man mit einer gelben Karte noch geheilt werden?
Die Verwarnung von gestern sitzt mir tief in den Knochen. Ich fühle mich abgelehnt und ungeliebt. Ausserdem befürchte ich, dass ich Probleme habe in die Gruppen zu gehen, wenn einem der Ausgang versperrt wird. Gestern haben meine Mitpatienten in der Kerngruppe sehr viel emotionalen Ballast abgeworfen. Leider habe ich Abgrenzungsprobleme und ich konnte das nicht mehr verarbeiten. Deshalb wollte ich gerne sprechen, ich wollte gar nicht sofort den Raum verlassen. Leider durfte ich nicht sprechen, deshalb habe ich es nicht mehr ausgehalten und wollte gerne raus. Das wurde mir verweigert und ich war in einer extrem angespannten Situation. Ich setzte mich in die Ecke und versuchte abzuschalten um nicht durchzudrehen. Ich nahm mein Handy um auf die Uhr zu schauen, nichts weiter. Da kam die Therapeutin angerast und hat mir mit Gewalt das Handy weggenommen. Dies war ein Angriff auf meinen persönlichen Schutzraum und praktisch eine Kriegserklärung. Dann wollte ich wieder den Raum verlassen und war schon sehr ausser mir, ich war extrem angespannt. Die Therapeutin stellte sich mir in den Weg und da bin ich leider explodiert und hatte einen Wutausbruch. Die ganzen übergekübelten Emotionen brachen aus mir heraus.
Mir stellt sich nun die Frage, wie ich eine solche Situation vermeiden könnte. Wie kann ich damit umgehen, wenn mir die entgleisten Emotionen der anderen zuviel werden? Oropax? Es ist mir wirklich noch nicht klar, wie man sich abgrenzt.
Gestern hat eine Mitpatientin sich mir gegenüber abgegrenzt. Ich fragte sie, wo sie die Aquarellfarben gekauft hat und sie sagte, sie will nicht mehr mit mir sprechen. „Hast Du das jetzt verstanden???“ Das fand ich sehr hart und gemein und es hat mich tief verletzt. Abgrenzung bedeutet also Verletzung der anderen?
Bitte helfen Sie mir!

Bitte um besseres Antidepressivum



Sonntag, 2. September 2012
Lieber Herr L. ,
ich bin nun schon seit 10 Tagen in Ihrer Klinik aber leider haben sich die Depressionen und Antriebsstörungen nicht gebessert. Es gibt Dinge, die mir nach wie vor sehr schwer fallen und meine Stimmung ist oft resigniert bis schmerzhaft verzerrt.
Seit einigen Jahren bin ich auf der Suche nach einem Antidepressivum, das auch anschlägt und hilft und hatte damit bisher kein Glück. Meinem Gefühl nach wäre vielleicht Fluoxetin einen Versuch wert, das hat mir früher schon einmal geholfen. Vielleicht haben Sie eine bessere Idee?
Es wäre natürlich schön, wenn man das Problem therapeutisch lösen könnte und man die Depression mit Sozialenergie heilen könnte. Wenn ich gute und warmherzige Kontakte zu meinen Mitpatienten habe, so kann mir das nur vorübergehend helfen, wenn ich wieder alleine zuhause bin werden die alten Denkmuster wiederkommen.
Ich weiss einfach nicht mehr weiter und schwanke zwischen Verzweiflung und Resignation. Heiligenfeld war schon seit 10 Jahren meine Hoffnung auf Heilung. Jetzt sehe ich, dass hier auch nur mit Wasser gekocht wird. In den beantragten 7 Wochen werde ich nicht alle meine Probleme lösen können und ich habe grosse Angst davor, dass es nun weder einen Durchbruch noch einen Wendepunkt in meinem Leben gibt.
Sicherlich könnte ich hier noch ein paar Seiten lamentieren und jammern, doch ich denke Sie haben nun einen Eindruck von meiner Situation bekommen.
Bitte helfen Sie mir!
Beste Grüsse von Isabella Feenstaub

Erster Wochenbericht Heiligenfeld



Samstag, 1. September 2012
Der Wochenbericht
Was war gut in der letzten Woche? Was ist mir gelungen? Ziel erreicht?
Meine Medikation ist wieder stabil durch regelmässige Einnahme. Es hat gut geklappt mit dem Risperdal am Abend. Das Dominal hilft mir beim Einschlafen. Ich schlafe sehr gut, gehe oft früh ins Bett und wache am Morgen von alleine gegen 6 Uhr auf und kann den Tag ohne Stress beginnen.
Weil ich am Abend kein Zyprexa mehr nehme, gibt es auch keine Schokoladenflecken auf dem Kissen, soviel ich weiss, esse ich nachts keine Süssigkeiten mehr. Ich habe eine Packung schokolierte Erdnüsse mitgebracht, die habe ich in 10 Tagen noch nicht aufgegessen. Es ist alles eine Frage des Masshaltens.
Mein Exfreund Andi hat mir eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Er wollte wissen wie es mir geht. Ich habe darauf nicht reagiert. Ich bin immer noch sauer, dass ich mein Laptop nicht wiederbekommen habe und er offensichtlich lügt, wohin er es in Reparatur gegeben hat. Ich denke oft an ihn und bin sentimental und denke an schöne Dinge in unserer Beziehung. Leider gibt es genauso viele Dinge, die mich stören und einfach nicht weiterbringen. Es ist mein Ziel durch die Therapie Abstand von ihm zu finden.
Gab es Rückschritte oder sogar einen Rückfall (z.B. in ein altes Verhaltensmuster)?
Leider hatte ich in den ersten Tagen eine Panikattacke. Es war sehr unangenehm, ich bin aber dann in die eine Therapiegruppe gegangen und konnte durch die Steuerung meiner Aufmerksamkeit auf die Gruppe langsam die Panik reduzieren. Ich habe kein Tavor genommen, weil ich keines bekommen habe, ich habe aber danach gefragt. Ich möchte gerne lernen durch mentale Arbeit mit den Techniken der Selbststeuerungsgruppe diese Zustände selbst und ohne Medikamente in den Griff zu bekommen.
Was ist der nächste Schritt für die kommende Woche, was nehme ich mir vor?
Ich möchte so gut es geht an allen Therapien teilnehmen. Es ist vielleicht nicht einfach, aber es ist machbar. Das habe ich am Anfang mir gar nicht zugetraut, doch es geht.
Ich nehme mir vor etwas mehr Körperpflege zu betreiben. Ich nehme mir vor in den Pausen oder am Abend ein bisschen Schmuck zu basteln. Das macht mir dann immer Freude und gibt mir ein Gefühl der Befriedigung wenn ich eine Kette oder ein Paar Ohrringe fertig habe. Ich darf mich dabei nicht unter Druck setzen, trotzdem ist es ein gutes Barometer für meine Antriebsstörungen. Hier gibt es ein Gerüst von Aussen, in dass ich mich fallen lassen kann. Es wäre gut zuhause selbst wieder mal einen Stundenplan aufzustellen und zu versuchen alleine eine Struktur zu bilden.
Mit Herrn L. möchte ich gerne nochmal über die Medikamente sprechen, ob vielleicht Fluoxetin geeignet wäre, meine Antriebsstörungen und Blockaden aufzulösen. Ich möchte gerne ein anderes Antidepressivum ausprobieren.
Welche Unterstützung brauche ich, um den nächsten Schritt gehen zu können?
Ich hätte gerne mehr den Fokus auf meine Probleme im Speziellen. Dazu gehören die Panik- und Antriebsstörungen. Auch den Kaufrausch und die Messieproblematik möchte ich gerne thematisieren. Es gibt ja leider nur 20 Minuten Einzelgespräch die Woche, also muss ich meine Themen in der Gruppentherapie mit der Kerngruppe einbringen.
Weitere wichtige Erfahrungen in der vergangenen Woche. Welche Begegnungen haben mir gut getan? Was war für mich im Sinne einer neuen Entwicklung?
Der Umgang mit Körperkontakt ist hier anders als in meinen bisherigen Therapien. Ich habe zwei Begegnungen deutlich wahr genommen und mich gewundert wie Liebe fliessen kann ausserhalb von klassischen Liebesbeziehungen. Ich werde das in den Kontakt mit meinen Schülern einbauen und ihnen zumindest die Hand schütteln vor und nach dem Unterricht. Es schafft eine gute Basis wenn der Körperkontakt von Herzen kommt.